Interview: FSFW beantwortet Fragen zu Freier Software an der Uni


Antworten der FSFW auf die Fragen der DiLi-News-Redaktion

Im Januar wurden wir für den Digital-Literacy-Newsletter rund um das Thema Freie Software an der Uni interviewt. Das war eine gute Gelegenheit, mal ein paar Fragen möglichst einstiegsfreundlich zu beantworten.

1. Allen voran die wichtigste Frage: Was genau ist Open Source und weshalb ist es so nötig und hilfreich auch Open Source Software anzubieten und zu nutzen?

„Open Source“ bedeutet, dass der Quellcode einer Software verfügbar ist. Damit ist z. B. nachvollziehbar, was diese Software tut und wie sie das tut. Das „was“ ist besonders relevant, wenn es um Sicherheit geht. Stichworte sind hier Datensammelwut, Überwachung und Kriminalität (z. B. Erpressung oder Industriespionage). Klingt reißerisch, findet aber leider alles jeden Tag massenweise statt. Das wie ist vor allem im Kontext von Forschung und Bildung relevant. Es kann z. B. sehr aufschlussreich sein, welche Algorithmen in einem Statistikprogramm für die Sozialwissenschaften stecken. „Open Soruce“ wird übrigens meist synonym zu „Freie Software“ verwendet. Neben dem „Verwenden“ und „Verstehen“, sind daher bei den offiziellen Open Source Lizenzen – z. B. der General Public License – explizit auch das „Verändern“ und „Verbreiten“ erlaubt – zusammen sind das die vier „Vreiheiten“ (die vier V). Um das deutlich zu machen, spricht man auch von Free and Open Source Software (FOSS). Ein Nebeneffekt ist, dass Freie Software an sich typischerweise kostenlos zur Verfügung steht, aber das „frei“ steht in erster Linie für die vier Freiheiten.

2. Was ist der Unterschied zwischen Open Source Software und anderen Software-Varianten?

Das Gegenmodell zu Freier Software, ist sog. „Proprietäre Software“. Die typischen Lizenzen sind ellenlang und hauptsächlich dazu da, um die Rechte der Nutzer:innen einzuschränken. Z. B. darf die Software nicht weitergeben werden oder sogar nur auf einem Gerät installiert werden. Es ist z. T. verboten, die Software auf Sicherheitslücken zu prüfen, und der Quelltext wird gehütet wie ein Sakrileg. Damit bleibt unklar, was die Software tut und ob (beabsichtigt oder nicht) beispielsweise Daten abfließen. Erwähnenswert ist in dem Zusammenhang, dass die Standardversionen von Windows 10 für den Dienstgebrauch an der TU Dresden unzulässig sind, weil nachweislich und in großem Umfang Daten abfließen. Und das möchte man weder für Forschungs- noch für Klausurergebnisse. In Freier Software könnten solche Lecks und Hintertürchen viel schneller entdeckt und vor allem schneller behoben werden. Ein weiterer Unterschied betrifft den sogenannten Vendor-Lockin. Proprietäre Software versucht oft durch technische Tricks Kundenbindung herzustellen, indem sich u. a. die Daten nur mit dem einen Programm korrekt öffnen lassen. Damit ist man vom Hersteller abhängig, was dieser dann in Zahlungsbereitschaft umzuwandeln versucht. Wenn das Produkt, z. B. bei Insolvenz oder Verkauf nicht mehr weiterentwickelt wird, hat man schlicht Pech.

3. Für wen ist Open Source Software hilfreich und was muss ich beherrschen, um diese sicher nutzen zu können?

Das Open-Source-Prinzip inkl. der vier Freiheiten ist extrem nützlich für die gesamte Gesellschaft. Der größte Teil der Infrastruktur des Internets läuft mit Freier Software und wäre anders kaum denkbar. Im Bereich für Endanwender:innen ist FOSS aber leider nicht so verbreitet. Das liegt zum großen Teil daran, dass es in ehrenamtlichen Projekten wenig Marketing oder Lobbyarbeit für diese Produkte gibt, aber auch dass sie technisch nicht immer mit weit besser finanzierten, proprietären Programmen mithalten können. Wie bei anderer Software auch ist die Bedienbarkeit und Stabilität "durchwachsen". Manche Open-Source-Programme sind super intuitiv bedienbar, für andere muss man ein bisschen rumprobieren oder nach Anleitungen suchen. Ein Vorteil ist, dass es für viele Programme eine hilfsbereite Comunity gibt.

4. Welche Vorzüge bringt Open Source Software mit sich und welche Nachteile hat sie womöglich?

Zu den allgemeinen Vorteilen die sich aus den vier Freiheiten ergeben, und die Nachteile die mit proprietärer Software verbunden sind, ist ja schon einiges gesagt. Konkrete Vorteile Freier Software sind die typischerweise starke Anpassbarkeit an eigene Wünsche. Dass sie oft gut und flüssig auf älterer Hardware läuft. Dass man selbst entscheidet kann, wie viel man zahlt bzw. spendet. Dass sie oft mit minimalem Aufwand über einen Paketmanager installierbar und auch rückstandsfrei deinstallierbar ist. Dass man nicht das Gefühl hat, von der Software entmüdigt zu werden oder dass da im Hintergrund Dinge passieren, die im Interesse des Herstellers, aber gegen die Interessen der Nutzer:innen laufen. Als Nachteile würde ich sehen, dass es (noch) nicht für jede Nische eine freie Lösung gibt, oder das manche Features nicht verfügbar sind.

5. Um unseren Leserinnen und Lesern die freie Wahl zu überlassen: Wo an der TU Dresden bekommt man die „Nicht-Open-Source-Varianten“ zu studentischen Konditionen oder sogar kostenfrei, z. B. für gängige Software wie MS Office, MatLab etc.?

Zunächst eine Vorbemerkung: „Kostenfrei“ ist eine Frage der Perspektive. Mathworks und Microsoft sind keine gemeinnützigen Gesellschaften sondern gewinnorientierte Firmen mit einem Milliardenumsatz und mit dem nachvollziehbaren Ziel, diesen Umsatz weiter wachsen zu lassen. Für diese Produkte fließt Geld aus Steuermitteln in die Unternehmenskassen. Details dazu regeln sogenannte Rahmenverträge, die aber für die – steuerzahlende – Öffentlichkeit nicht einsehbar sind. Das kann man OK finden, muss man aber nicht. ;-) Zur eigentlichen Frage: Studierende und Mitarbeiter erhalten über das Zentrum für Informationsdienste und Hochleistungsrechnen Zugang zu den steuersubventionierten akademischen Lizenzen. Die „A-Z“ Übersichtsseite (https://tu-dresden.de/zih/die-einrichtung/a-z) zusammen mit der Suchfunktion vom Browser ist da wirklich hilfreich (Stichwort Softwarebezug). Im Fall der Fälle hilft auch eine kurze Mail an den Service-Desk.

6. Gibt es vielleicht sogar eine Übersicht, was Open Source -Alternativen zu altbekannter Software sind? Mir fällt da GNU Octave als MatLab-Alternative ein. Was gibt es noch?

Im Zuge dieses Interviews haben wir eine kurze Sammlung zu Freier Software fürs Studium zusammengetragen: https://fsfw-dresden.de/foss-studium. Konkret zur Matlab-Frage: Neben Octave gibt es auch noch Scilab. Aber in den allermeisten Fällen würde ich eher zu Python raten. Das ist eine richtige Programmiersprache, in der man auch sehr gut rechnen kann - aber eben noch viel mehr. Python ist in der Physik und Biologie weit verbreitet und im Maschinellen Lernen ist es die lingua franca. Aber Python ist auch bis in die Geisteswissenschaften vorgedrungen. Stichwort „Digital Humanities“. Weiterhin sollte man noch LibreOffice und das Textsatzsystem LaTeX als Alternativen für MS Office bzw. Word kennen. LaTeX verfolgt dabei eine andere Philosophie, die insbesondere für Texte mit vielen Formeln und Literaturverweisen sehr nützlich ist.

7. Was bietet Eure Hochschulgruppe für interessierte Studierende an und hast Du noch Tipps oder Hinweise für uns?

Wir sind eine Gruppe von Menschen, die die Themen Freie Software und Freies Wissen für interessant und relevant halten. Wir befassen uns z. B. im Rahmen des Uni-Stick-Projektes ganz konkret mit Software, indem wir einen USB-Stick mit einem Live-Linux-System und voller nützlicher freier Software fürs Studium erstellen. Wir geben auch Workshops u. a. zu Programmierung (in Python) oder Versionsverwaltung oder Verschlüsselung. Wir bieten eine Sprechstunde zu Fragen rund um Freie Software, wie z. B. LaTeX. Außerdem befassen wir uns auch mit den großen Meta-Fragen, z. B. wie tragfähige Geschäftsmodelle rund um FOSS aussehen könnten (dazu gab es eine Ringvorlesung), der „Public Money, Public Code“-Kampagne oder wie man das Narrativ vom „Industriestandard“ als Euphemismus für problematische Monopolstrukturen enttarnen kann. In letzter Zeit wird auch das Schnittfeld von Digitalisierung und Nachhaltigkeit immer relevanter. Stichwort: „Bits und Bäume“. Dazu haben wir auch schon Veranstaltungen mitorganisiert.

Wie jede Hochschulgruppe freuen wir uns über Menschen die Interesse an unseren Inhalten haben, sich für einen Workshop interessieren oder sich einbringen wollen. Mehr Infos dazu auf unserer Webseite: https://fsfw-dresden.de/mitmachen oder unter https://fsfw-dresden.de/#kontakt.

8.Welche Perspektiven bietet Open Source Software vor dem Hintergrund der Digitalisierung, vor allem im Bereich der Bildung und Forschung?

Die Rolle von Software (und die Frage wer diese kontrolliert) wird bei Diskussionen um Digitalisierung häufig vernachlässigt. Da geht es eher um sichtbare Einmalinvestitionen wie „smarte Whiteboards“, Beamer und so. Ein sehr gutes Beispiel, wie es besser geht sind Investitionen in Freie Software, die den Forschungs- und Lehrbetrieb nachhaltig unterstützen und dann allen zur Verfügung stehen. Dazu haben wir selber mal mit Prof. Sander von der Fakultät MatNat über seine Projekte geführt: https://fsfw-dresden.de/interview-sander.

Für die große Entwicklung gibt es aus unserer Sicht zwei Szenarien. Das erste erscheint aktuell leider wahrscheinlicher und besteht darin, dass große Konzerne wie Google, Apple und Microsoft mit ihren enormen Budgets schon sehr früh in den Bildungswegen aktiv werden und versuchen klassische Bildung und Produktschulung stark zu verzahnen. An einer Microsoft-Partnerschule lernt man dann nicht mehr wie man einen Votrag hält, sondern wie man eine Power-Point-Präsentation erstellt; nicht wie man kritisch Quellen recherchiert, sondern wie man googelt. In eine ähnliche Richtung gehen die Initiativen Grundschulen mit (z. T. gesponsorten) Android-Tablets oder iPads auszurüsten. An Unis ist ein ähnlicher Trend zu sehen. Wir haben Rahmenverträge auf Landesebene und erfolgreiche Lobbyarbeit von Unternehmen, die natürlich wollen, dass die Ingenieur:innen von morgen die Belegarbeiten von heute ausschließlich mit ihren Produkten (z. B. Matlab) anfertigen. Man muss damit rechnen, dass sich dieser Trend noch verstärkt. Das andere Szenario, gewissermaßen die positive Perspektive, besteht in folgendem. Es setzt sich Einsicht durch, dass in einer zunehmend digitalisierten Welt die Software für kritische Bereiche – und dazu zähle ich explizit auch Bildung und Forschung – zu wichtig ist, um sie allein kommerziellen Interessen zu überlassen. Es setzt sich die Einsicht durch, dass Software, die mit öffentlichem Geld bezahlt wird, auch öffentlich verfügbar sein muss („Public Money, Public Code“) und dass dieser Gedanke sich auch hervorragend auf Lehrmaterial übertragen lässt: Stichwort Open Educational Ressources (OER). Dann würde Freie Software und Freies Lehrmaterial vom Geheimtipp zum Standard – mit höchster Qualität, weil die rechtlichen und technischen Möglichkeiten für gemeinesames Weiterentwickeln bestehen.