CoronaWarnApp – Rückenwind für Public Money? Public Code!


Prof. Sander demonstriert seine Liste bisher gefixter Bugs

Vor kurzem ist die CoronaWarnApp als Freie Software (Apache-2.0-Lizenz) veröffentlicht worden. Die Reaktionen auf die App als solche sind – wenig überraschend in einer pluralen Gesellschaft – kontrovers. Beispielhaft sei auf Stellungnahmen von Digitalcourage e.V. und Linus Neumann (Sprecher des CCC) verwiesen.

Unabhängig von der individuellen Risiko-Nutzen-Einschätzung bezüglich der App, lässt sich festhalten, dass die demokratisch legitimierte Exekutive ein öffentliches Interesse an der App erkannt und dafür öffentliches Geld im Umfang von mehreren Millionen Euro bereitgestellt hat (siehe z. B. Tagesschau, Spiegel). Und genau da sollte die FOSS-Comunity ansetzen, um der seit Jahren laufenden und für eine nachhaltige Digitalisierung sehr wichtigen Forderung "Public Money? Public Code!", mehr Aufmerksamkeit und Impuls zu verleihen.

Aus Perspektive des Autors lässt die Geschichte der App vereinfacht in folgendem Narrativ zusammenfassen:

Zwischenfazit: Wenn die Gestaltung der Digitalisierung immer so stattfinden würde, wären wir ein ganzes Stück weiter.

These

Die aktuelle Diskurslage ist günstig, um für die vermehrte öffentliche Anerkennung und Förderung von Freier Software (vor allem in der Verwaltung und im Bildungssystem) zu argumentieren und entsprechende Entscheidungen erfolgreich einzufordern.

Begründung

  1. Die CoronaWarnApp als prominentes Beispiel für Freie Software im öffentlichen Interesse zeigt, wie wichtig Transparenz, Vertrauenswürdigkeit und der Einbezug der Gemeinschaftsexpertise sind. Siehe oben bzw. auch die Position der FSFE.

  2. In der jüngeren Vergangenheit gab es mehrere bedeutende Beschlüsse zu Gunsten Freier Software (z. B. CDU, München, Hamburg).

  3. Der Pandemie-bedingte Digitalisierungsschub der Gesellschaft erzeugt zusätzliche öffentliche Aufmerksamkeit.

  4. Ebenfalls herrscht aktuell ein gesamtgesellschaftliches Bewusstsein für problematische Abhängigkeiten von globalen Liefer- und Serviceketten. Öffentliche Investitionen in Freie Software ermöglichen den Aufbau lokaler Expertise und lokale Wertschöpfung.

  5. Es gibt derzeit die Bereitschaft des Staates massiv Geld auszugeben, um die Konjunktur zu unterstützen. Investitionen in Freie Software wären eine sinnvolle und nachhaltige Konjunkturmaßnahme, weil das Geld in innovative Arbeitskraft statt in Energie- und Rohstoffverbrauch fließen würde. Siehe auch #Bits&Bäume und "Freie Software öffentlich fördern – Wie ein sinnvolles Konjunkturpaket aussehen könnte" (pro-linux.de, Januar 2009).

  6. Nächstes Jahr ist Bundestagswahlkampf. Die Gestaltung der Digitalisierung wird da voraussichtlich eine wichtige Rolle spielen.

  7. Zu diesen aktuellen Gründen kommt das Fortdauern schon lange bestehender Problemlagen. Exemplarisch: "Das Microsoft-Dilemma – Europa als Software Kolonie" (ARD Reportage, 19.02.2018).

Handlungsmöglichkeiten

Basierend auf dieser Analyse bieten sich folgende individuelle Handlungsmöglichkeiten:

  1. Mehr Aufmerksamkeit dafür herstellen, dass die erhebliche Menge öffentlichen Geldes, die für die CoronaWarnApp ausgegeben wurde, aus guten Gründen und in öffentlichem Interesse in ein Freies Software-Projekt geflossen ist.
  2. Medien-Vertreter:innen oder Entscheidungsträger:innen gezielt auf die Zusammenhänge zwischen Pandemie, Digitalisierung, CoronaWarnApp und Freier Software ansprechen und die Frage platzieren, warum es eigentlich nicht immer so läuft?
  3. Abgeordnete in Parlamenten bzw. Delegierte in Parteigremien dazu ermuntern, entsprechende Anfragen oder Anträge einzureichen. Da manchmal die digitalisierungsspezifische Sachkenntnis fehlt, sollte inhaltliche Unterstützung bzw. die Möglichkeit zur Diskussion angeboten werden.

Fazit

Der Autor ist überzeugt: Die Befürworter:innen von Freier Software haben sehr gute Argumente. Es kommt darauf an, diese so deutlich vorzutragen, dass sie nicht länger ignoriert werden können. Die Diskurslage insgesamt ist vergleichsweise günstig und die CoronaWarnApp bietet einen guten konkreten Aufhänger. Wenn genügend Individuen das Thema an genügend Stellen auf die Agenda setzen, dann wird es positive Veränderungen geben.

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